C-Dur Präludium, harmonische Analyse
C-Dur Präludium von J.S.Bach harmonische Analyse
Auf dem Youtube-Channel von klavierunterricht-bergstrasse gibt es ein neues Video und hier ist die dazu passende Lesson als Begleittext.
hier gehts zu YOUTUBE……https://youtu.be/FX7G8WIaiTw, externer Link
Heute widmen wir uns einem sehr bekannten Klavierstück. Dem C-Dur Präludium aus dem wohltemperierten Klavier, Band I von Johann Sebastian Bach und zwar mit einer harmonischen Analyse der Akkordverbindung.. Hier geht es um die Frage „War Bach ein „Jazzmusiker“ beziehungsweise was steckt an „Jazzharmonielehre in diesem doch sehr bekannten C-Dur-Präludium? So viel sei verraten: Mehr als man auf den ersten Eindruck vermuten würde.
Dieser Blogartikel ist für die Klavierfans, die etwas schon Erfahrung haben und auch über Grundkenntnisse in der Harmonielehre verfügen. Du solltest zumindest wissen was ein Dur und ein Mollakkord ist und auch das man diese Akkorde um Septimen erweitern kann. Den Begriff leitereigene Dreiklänge solltest du ebenfalls kennen.
Wenn dir das alles noch nicht so viel sagt, dann kann ich dir zwei PDFs empfehlen, die du dir in der Rubrik Unterrichtsmaterial vorher anschauen solltest:
Voicings und Akkorde, Einführung
Du kannst mit diesen Begriffen etwas anfangen? Klasse, dann können wir weitermachen. Wenn du diese Lektion durchgearbeitet hast, wirst du deutlich mehr verstehen, wie Bach dieses sehr populäre Stück, quasi den „Hit“ aus dem wohltemperierten Klavier, konstruiert hat.
Das Stück (Notenmaterial inkl. Analyse) kann auch komplett runtergeladen werden. Es gibt eine PDF Version in der Rubrik Unterrichtsmaterial zum Download.
Wenn du das ganze Buch „das wohltemperierte Klavier, Band I“ kaufen willst kannst du das z.B. im Musikhaus Thomann ganz einfach bestellen.
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Es gibt noch eine zweite Lektion zum C-Dur-Präludium: Ein Einsteigertutorial welches ich erstellt habe.
hier gehts zu YOUTUBE…….https://youtu.be/uGs-xe8rJMo, externer Link
Dies ist für alle Klavierschüler, die dieses weltbekannte Stück erst einmal lernen wollen: Hier gehe ich in diesem Tutorial durch das gesamte Stück: Ton für Ton und Takt für Takt. Es richtet sich also eher an Anfänger, die sich vielleicht das erste mal an ein Stück von Bach wagen. Wenn du dieses Stück also noch nicht spielen kannst, solltest du mit dieser Lesson anfangen und danach mit der Analyse weitermachen.
Doch zurück zum Thema:
Bach und Jazz
Viele Jazzmusiker verehren Barrockmusik und Bach besonders. Die Gründe sind vielfältig. Ist es der ausgefeilte Kontrapunkt, seine polyphone Schreibweise, die tollen Melodien oder die Harmonik?
Wer sich das C-Dur Präludium betrachtet und sich die Akkordverbindungen anschaut, wird feststellen, das einige typsiche Jazzwendungen darin versteckt sind.
Das hat auch schon der bekannte Jazzpianist Jacques Loussier entdeckt und mit seinem Trioprojekt „Play Bach“ sich der Musik von J.S.Bach angenommen und diese „verjazzt“ (Ich finde den Ausdruck furchtbar, aber mir fällt kein anderer Begriff ein). Er hat Kompositionen von Bach als Ausgangsmaterial für seine Improvisationen verwendet und war ein legendärer und sehr virtuoser Jazzpianist, der leider schon 2019 verstarb. Loussier war schon in den 60er Jahren erfolgreich mit diesem Konzept. Seine Play Bach – Alben aus den Jahren 1959-1965 sind legendär und eigentlich Pflichtlektüre, für alle die auf guten Jazz und Swing abfahren. Perlende Läufe und fette Blockakkorde im Stil eines Oscar Peterson oder George Shearing – Jacques Loussier beherrschte die ganze Palette des traditionellen Jazzpianos.
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C-Dur Präludium, harmonische Analyse
Zerlegen wir das Stück mal in seine harmonischen Einzelteile. Eigentlich sind alle Takte nur gebrochene Akkorde, das macht die Analyse leichter.
Betrachten wir einmal Takt 1.
Wir befinden uns in der Tonart C-Dur, schließlich heißt das Stück auch Präludium in C-Dur, und J.S.Bach verwendet auch gleich für den ersten Takt den C-Dur Akkord. Wir starten unsere Reise also auf der Tonika, I.te Stufe
Im zweiten Takt sind wir dann in Dm7. Einem leitereigenen Akkord von C-Dur. Diese sind:
Cmaj7, Dm7, Em7, Fmaj7, G7, Am7, Bm7b5
Das heißt: Bach spielt hier die IIm7. Funktionstheoretisch ist das die Subdominantparallele.
In Takt 3 erfolgt ein G7, der Dominantseptakkord von C-Dur, der sich in Takt 4 nach C-Dur auflöst.
Wir erhalten demnach eine II-V-I Verbindung. DIE klassische Jazz-Kadenz.
Dm7 G7 C = IIm V I nach C-Dur
Im Takt 5 sind wir in Am, welcher sowohl VIm von C-Dur, aber auch gleichzeitig IIm von G-Dur ist. Man nennt dieses Phänomen einen pivot-chord. Bach nutzt diese Tatsache geschickt aus, um diesen Akkord für eine Modulation zu verwenden. Nach Am erfolgt deshalb D7 der sich nach G-Dur auflöst. Demnach ergibt sich
Am D7 G = IIm V I nach G-Dur
D7 bestätigt die neue Tonika (G-Dur). Die davor liegende Subdominantparallele (Am) macht dies umso deutlicher. Alternativ könnte Am auch als relative IIm der Doppeldominante (V7 von V) betrachtet werden. Da aber der G-Dur nicht als Dominantseptakkord auftaucht, spricht vieles für eine Modulation nach G-Dur. Dies wird gefestig durch die folgenden Takte:
Cmaj7 was IVmaj (Subdominante) von G Dur ist. Unsere neue Tonart wird durch die daruf folgende
IIm V7 I Am D7 G
nochmals harmonisch bestätigt.
Interessant ist der nächste Akkord Go7. Das ist ein verminderter Septakkord. Ein solcher Akkord ist eine Staplung von lauter kleinen Terzen. Der verminderte Septakkord mit den Tönen „g“ „b-flat“ „e“ und „cis“ kann funktionstheoretisch vieles sein. Ich folge übrigens dem Notentext. Eigentlich müssten die Töne bei Go7 lauten
Go7 = g, b-flat, d-flat, f-flat (englische Bezeichnung)
Go7 = g, b, des, fes (deutsche Bezeichnung)
Anstatt jetzt aber des und fes zu verwenden, wird cis und e geschrieben. Das ist nicht 100% harmonisch schlüssig, aber viel besser lesbar. Ich hoffe das ist ok für dich?
Häufig werden verminderte Akkord als Durchgangsakkorde und Vertreter (sogenannte Substitute) für Dominantseptakkorde eingesetzt. Man erhält dadurch eine andere Basstonbewegung, die häufig etwas flüssiger (chromatisch) ist und eine Alternative zur häufigen Quintfortschreitung abwärts darstellt.
In diesem Fall könnte der Go7 als Dominante zu F6 aufgefasst werden. Die reguläre Dominante von F6 wäre C7. Der Go7 entspricht von den Tönen einem C7b9 (ohne Grundton) und fungiert als Dominantvertreter.
C7b9 = c, e, g, b-flat, d-flat Go7 = g, b-flat, d-flat, e
Ein C7b9, na wenn das mal kein Jazzakkord ist?
Nach F6 folgt Fo7, der als Vertretet von G7b9 betrachtet werden kann, der sich nach C-Dur auflöst – und so passiert es auch bei Bachs C-Dur Präludium. Bach setzt mehrfach o7 Akkorde als Dominantvertreter ein. Eine Technik, die sich ebenso in vielen Jazzstandards aus dem Realbook findet.
Wir sind wieder in C-Dur (Modulation zurück in die Ausgangstonart) und bewegen uns von dort in die IV.te Stufe (Fmaj7) und gehen in die Subdominantparallele IIm (Dm) die typisch jazzmäßig in die V7 weiterschreitet und in die I (Tonika) mündet. Eine weitere Jazz IIm V I Kadenz.
Jetzt verwandelt sich der Cmaj7 in einen C7. Hierbei handelt es sich um eine Sekundärdominante zur Subdominante (V7 von IV), die dann auch eintritt (Fmaj7).
Sekundärdominanten sind Dominantseptakkorde die einen leitereigenen Akkord vorbereiten. Sie werden in der harmonischen Analyse mit V7 von [Zielakkord] gekennzeichnet.
F#o7 kann als Vertreter von D7b9 eingesetzt werden, der wiederum Sekundärdominante ist (V7 von V7).
Anschließend folgt ein klassischer Vorhalt. Vsus7 nach V7. G7sus4 nach G7. Dieser Sus nach Dur Vorhalt findet sich in klassischer Musik aber gleichfalls in vielen Popsongs, Brodwayschlagern oder Musicalmelodien.
Interessant ist der Ebo7 mit G im Bass. Ebo7/G. Der Ton G ist nicht Bestandteil des eigentlichen Ebo7 Akkordes, was für einen dissonanten Charakter sorgt. Dieser wird aber durch die Pedalpunktfunktion des Tones „G“ abgemildert. Über sogenannte Pedalpunkte lassen sich auch dissonante Klänge oder Akkorde die sich funktionsharmonisch nur schwer erklären lassen gut einsetzen. Am ehesten lässt sich Ebo7 umdeuten nach Co7. Das entspricht Io7.
Die Akkordfortschreitung Io7 nach Imaj7 findet sich zum Beispiel auch in Bossa-Nova-Stücken. Schau dir doch mal die Jobim Komposition Corcovado an…..
Das trifft auch hier zu. Nach Ebo7 kommt C-Dur. Also eigentlich Io7 nach I. Beide mit der Quinte der Tonart (dem Ton „G“) im Bass.
In Takt 30 und 31 haben wir die klassische Akkordfortschreitung von V7sus nach V7. Die Auflösung erfolgt nach C, aber nicht nach Cmaj7 sondern nach C7. Dieser C7 ist wieder Sekundärdominante der IV.ten Stufe (V7 von IV).
Das Ende der Komposition erreichen wir über eine sehr traditionelle Kadenz von IV V7 I. Allerding hält J.S.Bach noch eine harmonische Überraschung bereit. Der vorletzte Takt enthält zwar die Dominante G7, trotzdem ist der Tonikaton „C“ im Bass. Der „Pedalpunkt“ hat wieder zugeschlagen.
Ein schöner harmonische Kniff, den man sich mal merken kann, wenn man Jazzstandards spielen will. Am Ende die Dominante mit dem Tonikagrundton im Bass spielen. In Bb-Dur würde dies so aussehen:
Cm7 F7/Bb Bbmaj7
Ich habe zwei Videos zum Thema Jazzendings erstellt, die du dir bei Interesse gerne anschauen kannst. Darin zeige ich eine ganze Reihen an typischen Schlußformeln, die sich für Jazzstandards und Barpiano eignen.
Nach dieser Analyse vom C-Dur Präludium könntest du ein Akkordsheet erstellen und dieses als Grundgerüst für eigene Improvisationen nutzen. Damit bist du schon recht nahe an dem Ansatz den Jacques Loussier bei seinem „PLAY BACH“ Projekt verwirklicht hat.
Ich hoffe du konntest aus dieser Lektion einiges mitnehmen und wünsche dir viel Spass beim improvisieren über das erste Stück aus dem wohltemperiertem Klavier.
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