Häufig sprechen mich Leute an und erzählen mir von einem alten Klavier im Famillienbesitz. Die Oma hat darauf gespielt, der Onkel war Musiker und nach dem Tod des Besitzers taucht die Frage auf, wohin mit dem Klavier? So ein Klavier ist doch eine wertvolle Erbschaft, damit lässt sich doch bestimmt Geld verdienen. Oder sollte nicht die kleine Cousine, der Enkel oder die Nachbarin dieses Famillienstück bekommen.

„Gut, es ist etwas verstimmt, aber sieht total schön aus, es hat sogar Kerzenhalter und scheint aus deutscher Fertigung zu sein. Auf dem Gehäuse steht ein deutscher Markenname. Dafür zahlt ein Musikfan sicherlich gerne. Es ist schließlich ein echtes Schmuckstück.“

Nicht selten wenden sich Leute an einen Klavierlehrer.

Mindestens einmal im Monat erreichen mich diese Anliegen. Häufig mit der Hoffnung verknüpft, ich als Musikpädagoge könnte das Instrument erwerben oder zumindest einen Interessenten vermitteln. Es ist auch absolut verständlich. Die neuen Besitzer kennen sich in der Thematik nicht aus und benötigen Hilfe.

Ich schaue mir diese Instrumente nie an, schließlich bin ich Pianopädagoge und kein Klavierbauer. Ich kenne mich zwar mit Klavieren aus, bin aber was den Klavierbau angeht nur ein (gut gebildeter) Laie. Meist stelle ich 3-4 gezielte Fragen und kann eine grobe erste Einschätzung vornehmen.

Leider muss man in 99% aller Fälle mit einer enttäuschenden Antwort kommen.

„Das Klavier ist nichts mehr wert. Ich kenne leider niemanden, der an einem solchen Instrument interessiert ist.“

Das man mit dieser Antwort Enttäuschung auslöst, tut mir leid, deshalb will ich hier begründen, warum es meistens zu diesem Ergebnis kommt, bzw welche Fragen ich stelle und warum ich diese Punkte abklopfe.

Fangen wir mit dem Alter an:
Häufig sind die Instrumente sehr alt. Baujahr 1930, 1920, 1900 oder noch älter. Leider ist es aber so, das bei Klavieren sich der Wert nicht zwangsläufig durch das Alter erhöht. Ganz im Gegenteil. Die moderne Fertigungstechnik hat auch im Klavierbau für Verbesserungen gesorgt. Neue Markenklaviere bieten eine erstaunliche Qualität (billigste No-Name-Fernost-Kopien mal ausgenommen). Die Ansprüche, die ein Klavierspieler heute an eine Mechanik stellt, die Klangästhetik eines aktuellen Klavieres, sind völlig anders als vor 60/70/80/100 Jahren. Natürlich gab es vor 100 Jahren schon fantastische Instrumente, die standen aber meist nicht in privaten Haushalten von musikalischen Laien. Wenn also der Verstorbene Klavierlehrer oder Konzertpianist war, dann haben wir möglicherweise ein Spitzeninstrument. In anderen Fällen ist das das erste Indiz, dass das Objekt (Klavier/Flügel) ein dekoratives Möbelstück/Hobbyinstrument war und wahrscheinlich nicht die Spitze der historischen Klavierbaukunst darstellte.

Der Fundort:
Der Fundort sagt ebenfalls viel aus. Ein Klavier welches auf dem Dachboden, in der Scheune oder im Keller stand, hatte wohl für seinen Vorbesitzer keinen hohen Wert. Sonst hätte er es sicher nicht einer solch feindlichen Umgebung ausgesetzt. In einem akustischem Klavier befindet sich viel Holz (Korpus/Tasten) und Stahl (Rahmen/Saiten). Beides reagiert auf Temperaturunterschiede genauso wie auf die Luftfeuchtigkeit. Auch der Filz der Dämpfer altert je nach Lagerungsort unterschiedlich. Hinzu kommt Schädlingsbefall durch Holzwurm, Motten oder Mäuse (kein Scherz!).

War das Instrument hingegen in ständiger Benutzung durch ein Musikliebhaber und stand „in der guten Stube“, dann sind die Chancen deutlich besser, das ihm die notwendige Pflege und Sorgfalt gewährt worden.

Der Name bzw der Hersteller:
Viele Leute glauben das ein aufgedruckter Name wie „Klaviermanufraktur Schmied&Müller, FRANKFURT“ oder ähnlich das Instrument in eine vergleichbare Kategorie wie ein STEINWAY & SON´s, HAMBURG hebt. Das wäre schön, ist aber nicht so. Es gab vor vielen Jahren zahlreiche Klaviermanufrakturen in Deutschland. Der überwiegende Anteil ist nicht mehr am Markt präsent. Dieser wird von wenigen großen „global-players“ beherrscht. Ob man das gut oder schlecht findet ist sicher eine interessante Frage für den Wert des Instrumentes aber unerheblich. Fakt ist, dass auf dem Gebrauchtmarkt diese Instrumente keiner hohen Nachfrage unterliegen. Kaufinteressenten suchen lieber nach Schimmel, Steinway, Yamaha oder Kawai, als nach diesen unbekannten Herstellern. Das drückt den Preis. Ein Blick auf eine Plattform wie EBAY zeigt einem wieviele Klaviere verschenkt werden. Die überwiegende Zahl ist aus solcher Herkunft.

„Was kann man tun? Welche Optionen hat man?“

Natürlich ersetzt dieser Artikel kein Wertgutachten und wer eine genaue Preisbestimmung braucht (z.b. auch zur Taxierung der Erbmasse) der sollte sich an einen Klavierbauer wenden. Es ist allerdings ratsam nicht mit zu hohen Erwartungen in ein solches Gespräch gehen. Eventuell muss man mit Kosten rechnen, schließlich will der Klavierbauer für seine Expertise und Zeit bezahlt werden.

Zu Beginn steht immer die Frage: „Was will ich?“

Will ich das Instrument nur schnell loswerden, egal wie, gibt es eine emotionale Bindung an das Klavier, möchte ich es selber nutzen?

Verschrotten:
So bitter es ist, es gibt Instrumente die sind einfach reif für den Schrott. Die Jahre haben ihren Tribut gefordert und eine Weiternutzung ist nicht mehr sinnvoll möglich. Dann bleibt meistens nur die Option eine Entsorgung anzuleiern. Anstatt Geld zu bekommen, kostet es Geld. Wenn das Instrument schwer ist, und das ist es meistens, muss eventuell eine Klavierspedition/Möbelspedition beauftragt werden.

Tipp 1: Möbelspeditionen sind billiger und da es ja egal ist, ob das Instrument beim Transport Schaden nimmt, kann man hier Geld sparen.

Tipp 2: Selber transportieren ist keine gute Idee, der eigene Rücken wird es einem Danken. Profis haben das nötige Werkzeug (Tragegurte, Karren, körperliche Fitness) und (ebenfalls wichtig) eine Versicherung. Wenn beim Transport das halbe Treppenhaus zerstört wird, wird der Schaden reguliert.

Als Dekoartikel verwenden:
Vielleicht ist der innere Zustand des Klavieres katastrophal, aber der Look noch gut. Dann kann man das Klavier als Dekorationsobjekt nutzen. Filmfirmen oder Kneipen/Restaurant haben immer wieder Bedarf an Klaviergehäusen. Vielleicht erfreut man sich auch selbst an dem Instrument, welches Oma oder Opa so viel Freude gemacht hat.

Verschenken:
Ist das Instrument in einem brauchbaren Zustand, sodas es nach einer Stimmung verwendet werden kann, sich ein Verkauf aber nicht lohnt, dann kann man es verschenken. Vielleicht gibt es einen Jugendclub, ein Laientheater, einen Chor in der Umgebung, der dem Klavier/Flügel ein neues Heim bietet. Bedenkt aber beim Verschenken, das irgend jemand den Transport an den neuen Bestimmungsort bezahlen muss. Das sollte man frühzeitig kommunizieren.

Restaurieren:
Gibt ein Fachmann/Frau (Klavierbauer) grünes Licht zur Restauration, ist dies eine Möglichkeit ein solches Erbfundstück mit neuem Leben zu versehen. Rechnet aber mit mehreren Tausend Euro Kosten! Mechanik richten, Risse im Resonanzbodern reparieren, eine neue Besaitung, Mechanik (Hämmer, Filze Achsen) generalüberholen, Wirbel und Stimmstock restaurieren… Das alles sind zeitaufwendige Arbeiten, die den Preis in die Höhe treiben können. Wie beim Auto gibt es beim Klavier auch den wirtschaftlichen Totalschaden. Eine Reperatur lohnt nicht mehr, lieber das Geld in ein neues, zeitgemäßes Instrument investieren. Der überwiegende Teil der Klavierbauer gibt ehrliche und faire Einschätzungen und wird euch nichts „andrehen“ wollen. Im Zweifel fragt ihr halt zwei Spezialisten.

Verkaufen:
Sollte das Klavier wirklich einen nennenswerten Preis auf dem Markt erzielen, dann ist das natürlich schön. Meiner Erfahrung nach, bringt es aber nicht soviel Klavierpädagogen anzusprechen. Profis haben sehr hohe Anforderungen an ihre Instrumente und deren Schüler verfügen in der Regel auch über Klaviere (sonst könnten sie ja keinen Unterricht nehmen).
Besser man inseriert bei ebay-Kleinanzeigen, in Zeitungen oder hängt Zettel auf. Wertvolle Instrumente werden gerne von Klavierhäusern angekauft oder in Zahlung genommen. Bei einer Inzahlungnahme ist der Preis natürlich meist besser.

Selbstverständlich kann ich nicht ausschließen, das sich bei der Erbschaft nicht um ein wertvolles Instrument handelt. Es mag sicherlich den Fall geben, das ein Steinway D oder ein Bösendorfer in einem Keller einen Dornröschenschlaf erlebt. Wer es genau wissen willt, fragt bitte einen Klavierbauer. Dies hier ist ein allgemeiner Artikel und kein Wertgutachten, schließlich habe ich das Instrument gar nicht gesehen. Ich übernehme ausdrückliche keine Haftung für Entscheidungen.

In den allermeisten Fällen, handelt es sich jedoch bei diesen „Dachbodenfunden“ um wertlose Exemplare. In meiner jahrzehnte langen Unterrichtspraxis gab es von diesem Fall KEINE Ausnahme.

Ich hoffe ich konnte Denkanstöße geben. Wenn Sie weitere Fragen haben, dann kontaktieren Sie mich doch einfach.